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Die Philosophie der Freien Schule für Organische Gestaltung

 

„Die Organisierung der Verschiedenheiten zur Einheit, die Einigung der Organe zum Organismus
war in mannigfacher Variation immer wieder das Ziel unserer theoretischen Untersuchungen.“

Paul Klee

 

Die Freie Schule für Organische Gestaltung ist eine private Kunstschule. Sie ist ein Projekt, das 1993 aus meiner künstlerischen Arbeit hervorgegangen ist. Das Angebot richtet sich einmal an Kunstinteressierte und Berufstätige, die Freude haben an Kreativität und Gestaltung und künstlerische Erfahrungen in ihrem Alltag integrieren möchten. Speziell ist es auch geeignet für Kulturschaffende, Künstler und Studenten, die einen erweiterten Ansatz oder eine Zusatzausbildung suchen.

Organische Gestaltung

Die Besonderheit meines Konzepts wird sichtbar durch den Begriff der organischen Gestaltung. Organische Gestaltung bedeutet, sich in der künstlerischen Praxis an Formen und Gesetzmäßigkeiten der Natur zu orientieren. Um ein Beispiel zu nennen: Es entspricht einem Fluß eher, in Schlangenlinien zu fließen, als in ein exakt gerades Flussbett gezwungen zu werden. In diesem Sinne kann man auch in der Kreativität eine freie und natürliche Dynamik finden, wenn die Kreativität aus den Normen des Verstandes befreit wird.

Die Idee der organischen Gestaltung steht für einen zukunftsweisenden Weg. Es ist damit ein Paradigmenwechsel ausgesprochen, in dem Denkweisen und Formen, die innerhalb der Moderne entwickelt wurden, durch integrale Konzeptionen fortgesetzt und erweitert werden. Die Kunst der Moderne ist komplex und ambivalent, in ihrer antagonistischen Logik stehen positive Inhalte und konstruktive Formen neben Verneinung, Dekonstruktion und Antikunst. Aus der postmodernen Perspektive erscheinen viele Ideale der Moderne als gescheitert. Doch von einem anderen Standpunkt aus betrachtet ergeben sich neue Erkenntnisse. Es gibt keinen Grund, das Misstrauen gegenüber der Kunst und der menschlichen Erkenntnis zum Prinzip zu machen. Mein Ansatz ist, Skeptizismus und Negativität zu überwinden und auf der Grundlage eines ganzheitlich-organischen Denkens primär die Heilkräfte der Kunst zu sehen.

Eine Erweiterung der Parameter eröffnet neue Sichtweisen. Die Bildkonzepte der Moderne wechseln zwischen der Betonung der Physis und des unbewußten Instinkts auf der einen Seite, andererseits der Fixierung auf rationale Konstruktion und Intellekt. Ein dritter Pol des menschlichen Bewusstseins, nämlich die vermittelnde Empfindung, die Verbindung des Denkens mit dem Gefühl und die sich daraus ergebende Möglichkeiten der Intuition und Transzendenz werden im Allgemeinen ignoriert.
Der Mainstream der heutigen Kunst ist, auf dem Hintergrund eines radikalen Subjektivismus, geprägt durch die Negation all der Formen und Mentalitäten, die als klassisch gelten und selbst noch für die Moderne konstitutiv waren. Eine ontologische Kunst jedoch geht aus von der Analogie psychologischer, natürlicher, ästhetischer und existentieller Strukturen. In der hier gemeinten neoplatonischen Konzeption wird der piktorale Nominalismus mit seinen freien Setzungen, die jeden natürlichen Zusammenhang ignorieren, abgelöst durch organische Konstruktionen, die an lebendigen, natürlichen Prozessen orientiert sind.

Malen und Zeichnen sind ganzheitliche Prozesse, in denen Denken, Fühlen und Handeln sich verbinden und das Bild aus einer inneren Stimmigkeit sich organisch entwickeln kann. Organische Gestaltung ist die Leitidee meines künstlerischen Denkens. Ein Organismus ist ein in Teilen gegliedertes Ganzes. Organische Gestaltung bezieht sich also auf die Ordnung eines lebendigen Ganzen. Sie ist die Wiederverbindung von Kunst und Transzendenz. Darin liegt die Überwindung des einseitigen Rationalismus, der seit vierhundert Jahren die Grundlage der westlichen Kultur ist, inzwischen sich jedoch durch die sich abzeichnenden globalen ökologischen Krisen als zerstörerisch erweist. Organische Gestaltung ist das Lebensprinzip, sie folgt den Prinzipien des Lebendigen. Die Natur ist eine Sprache; in ihren Atmosphären und Bildegesetzen werden wir an die Weltseele erinnert. Und ebenso, wie die Naturkräfte Gesetzen unterliegen, liegen den künstlerischen Mitteln unterhalb subjektiver Wahrnehmung organologische Gesetzmäßigkeiten zu Grunde. Das Bild bekommt dadurch eine erweiterte, transzendente Bedeutung, die im Positivismus der Moderne ausgeblendet und verneint wurde.

Auf der Grundlage dieser naturphilosophischen Betrachtungsweise sehe ich die Bildkäfte als Naturanalogien. Künstlerische Praxis wird zu einem Weg des Bewußtseinswandels durch das Üben mit naturanalogen Prinzipien. Eine neue Wahrnehmung, Empfindungsfähigkeit und Empathie können daraus erwachsen. Das bedeutet, dass zum Beispiel eine Dunkelheit im Bild weder nur die traditionelle Funktion hat, einen Schatten darzustellen oder Plastizität zu verdeutlichen, noch, im Sinne der modernen Befreiung der Bildmittel, lediglich autonom oder experimentell eingesetzt werden kann. Sondern unabhängig davon kann sie wie eine objektive Naturkraft erlebt werden und als solche im Bild auch wirken. Die Grundstruktur unserer visuellen Wahrnehmung, das Helldunkel, wurde in der Malerei der Moderne vernachlässigt, weil es im so genannten Modernismus als konservativ galt. Aus der ganzheitlichen Perspektive jedoch sind die bildnerischen Mittel energetisch und psychisch aktiv. Dunkelheit ist existentiell und psychologisch als Raum des Unbewußten erfahrbar, ebenso wie Licht eine Metapher des Bewußtseins ist, entsprechend im Bild auf unsere Wahrnehmung erhellend wirkt und Form sichtbar macht.

Eine solche Auffassung geht auf die Naturphilosophie der Antike und der Renaissance zurück, findet sich in der Romantik und bei Goethe und wird in der Moderne u.a. bei Paul Klee, Ernst-Wilhelm Nay und Joseph Beuys sichtbar. Auch zeitgenössische Naturphilosophen wie Gernot Böhme und Klaus Michael Meyer-Abich weisen auf eine Verbindung von Kunst und Ganzheitsdenken.


Die heutige Moderne


In der Phase der Postmoderne ist bekanntlich der Glaube an Utopien allgemein verloren gegangen. Die heutige gesellschaftliche Atmosphäre ist von postmodernen Mentalitäten geprägt, Pluralismus und Relativismus beherrschen das kulturelle Klima. Das heißt jedoch, dass ontologische und ideelle Konzeptionen generell als Illusion und Rückständigkeit abgewertet werden. Die postmoderne Theorie sieht sich in ihrem eigenen Selbstverständnis der Aufklärung und der Liberalisierung der Kultur verpflichtet, ist jedoch in ihrer Ambivalenz eine Strategie der Wertedemontage mit unübersehbar ideologischem Charakter. Ihre Doktrin bewirkte die Nivellierung von Inhalten und Werten und leistete einer Destruktivität Vorschub, die der Logik des heutigen Neokapitalismus entspricht, von der eine ebenso traditionelle Strukturen aushebelnde Wirkung ausgeht. Der philosophische Dekonstruktivismus und die politisch-ökonomische Deregulierung des Neoliberalismus zur Befreiung der Marktkräfte greifen ineinander.

Obwohl der Begriff der Postmoderne nicht mehr aktuell ist, werden die herrschenden Kulturdiskurse von nominalistischen Zeichentheorien und horizontalem Systemdenken dominiert. Mein künstlerisches Programm ist, dem Differenzparadigma wieder den Identitätsbegriff, dem Prinzip des Systems die Organismusidee gegenüberzustellen. Es geht mir um die Rekonstruktion ästhetischer, psychologischer, anthropologischer und morphologischer Konstanten, die sich allerdings den Desillusionierungen der postmodernen Phase zu stellen hat.

Inhaltliche Kategorien sind in der Kunstwelt, in der weitgehend monetäre Interessen dominieren, sekundär geworden. In einem gesellschaftlichen Klima, in dem Kultur zum Wirtschaftsfaktor degradiert wird, ist selbst subversive Kunst zum Statussymbol und Herrschaftszeichen von Managern und Politikern mutiert. Daraus sich ergebende Konsequenzen können verschieden sein. Eine Möglichkeit ist, in der Kunst einen Weg der spirituellen Sinnfindung und Persönlichkeitsentwicklung zu sehen. Erst eine Kunst, die herausgelöst ist aus politischer und ökonomischer Instrumentalisierung, kann ein Raum geistiger Auseinandersetzung sein, und an die Stelle von Innovation und ständigem Fortschritt treten die Erfahrung von Initiation und Transformation. Dabei kommt es darauf an, sich verinnerlichter Autoritäten und Klischees bewusst zu werden und den Scheincharakter sowohl des eigenen Ichs als auch der äußeren Wirklichkeit zu durchschauen. Auf diese Weise werden Fühlen, Sehen und Denken wieder authentisch. Die Kunst ist eine Zone der Zweckfreiheit und darin ein Raum für Bewußtseinswandel. Ein solcher Bewußtseinswandel, im Sinne einer spirituellen Erneuerung des Denkens, Fühlens und Wollens, ist die Voraussetzung für eine zukünftige gesellschaftliche Veränderung.
In der heutigen von wirtschaftlichen Interessen geprägten Wirklichkeit nehmen Streß und Unruhe zu. Durch die Zerrissenheit und Fragmentarisierung unseres Lebens verlieren wir Freiräume. Deswegen ist es die vorrangige Aufgabe, den Zusammenhang unserer Existenz zu erhalten und uns als freie Subjekte zu bestimmen, die gestaltend auf ihren Lebensraum Einfluß nehmen wollen. Die Kunst ist die Methode.



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