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Die Documenta 11 in der globalen Strategie - Michael Evers, 17. August
2002
Michael Evers
Kassel, der 17. Aug. 2002
Die Documenta 11 in der globalen Strategie
Die Documenta 11 hat den Anspruch, der Kunst einen neuen Sinn zu geben.
Ohne Zweifel ist
es die richtige Richtung, angesichts einer krisengeschüttelten Welt
von den Künstlern eine verantwortungsbewußte Haltung zu fordern.
Eine engagierte und soziale Kunst wird uns gezeigt, kritische Positionen
gegenüber Kapitalismus und dem Imperialismus der ehemaligen Kolonialmächte.
Die Ausstellung ist eine Wissens- und Informationsplattform der aktuellen
Weltsituation eine Stoßrichtung, die sich auch gegen den Spektakelcharakter
von Großausstellungen wendet.
Die documenta als kritische Reflexionsebene für die Globalisierung
der Kulturen, das ist durchaus ein zeitgemäßer und zukunftsweisender
Schritt. Wenn da nicht der Zweifel wäre.
Die derzeitige Entwicklung zu supranationalen Strukturen hat eine ausschließlich
ökonomische und geostrategische Logik: die Integration des Weltmarktes
unter amerikanischer Hegemonie. Eine kulturelle Vermittlung zwischen gleichberechtigten
Völkern und toleranter Respekt vor der Kultur des anderen kann man
da weniger entdecken. Durch diesen Umstand drängt sich der Verdacht
auf, daß der tolerante Pluralismus der Kulturen hier nicht das ist,
was er vorgibt zu sein, sondern daß in der Fülle der uns gezeigten
dokumentarischen und künstlerischen Bildwelten ebenso wie in den begleitenden
Texten eine Ideologie konstruiert wird. Sowohl die Kunst als auch der Idealismus,
mit dem sie unterfüttert ist, werden instrumentalisiert für politische
Zwecke. Abgesehen davon, daß durch eine Instrumentalisierung das höchste
Ideal der Kunst, nämlich ihre geistige Freiheit, reduziert ist, wird
hier die Kunst benutzt, um die Überlegenheit der materialistischen
westlichen Moderne zu demonstrieren. Emotional und intellektuell anspruchsvoll
werden der Wirklichkeits- begriff und die Werte des Westens durchaus
auch in ihren Widersprüchen - inszeniert.
Die kulturelle Attraktivität des Modernismus dient als Identifikationsfaktor
für die intellektuellen Eliten der anglo-amerikanischen Einflußsphären.
Die ganze Kunstschau und besonders die sie hochjubelnden Texte tragen gewisse
Merkmale einer Propagandaveranstaltung, wie etwa beim Sozialistischen Realismus
in der ehemaligen Sowjetunion. Vor diesem Hintergrund wird also klar, daß
hier Kapitalismuskritik und oppositionelle Positionen als Täuschungsmanöver
eingesetzt werden, und daß diese documenta mit ihren dialektischen
Strategien und Scheinangriffen völlig affirmativ ist. Womöglich
funktioniert sie vorrangig als Etablierung einer neuen Globalszene.
Dazu kommt noch etwas anderes. Durch den humanistischen Idealismus wird
das, was die Kunst tatsächlich erneuern könnte, nämlich der
spirituelle Impuls, lediglich imitiert.Die einzige in Wahrheit zukunftsweisende
Option, nämlich die innere Revolution der Begriffe, also die Befreiung
des Denkens aus materialistischen Ideologien, wird verpaßt. Avantgardistisch
wäre es, statt mit Inszenierungen und intellektualistischen Konstruktionen
den Betrachter in die Unterlegenheit zu drücken, in der Kunst das authentische
Fühlen wiederzufinden. Was sonst als dies wäre Menschheitskunst?
Statt dessen setzt sich die quasi-metaphysische Logik des globalen Materialismus
weiterhin durch.
Der Weltgeist vollendet sich in der Globalisierung des Westens.
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